Das Buch erschien erstmals 2006 - es wächst |
Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.
Das gilt für den Einzelnen, der kaum längere Zeit ungesellig leben kann, wenn er essen, trinken, sich warm halten und soziale Grundbedürfnisse befriedigen will.
Das gilt für die Gattung in einer enger werdenden Welt mit knappen Ressourcen und begrenzten Räumen. Zwar werden natürliche Katastrophen unsere Spezies immer gefährden – niemals werden sich Erdbeben, Überflutungen, Brände, Seuchen, Einschläge von Asteroiden oder kosmische Strahlung gänzlich beherrschen lassen - aber wir stehen heute mehr denn je vor der Frage, ob nicht menschliches Handeln, ob nicht seine Formen sozialer Interaktion das eigentliche Problem sind.
Können wir Konflikte zwischen konkurrierenden Gruppen - Nationen, Kulturen, Ethnien, Religionen, Konzernen, Banken, Regierungen, Parteien oder sonstiger (an Stämme der Steinzeit erinnernder) Organisationsformen – anders als durch Gewalt lösen? Sind nicht aggressive Strebungen, Dominanzwünsche und Gewalt elementare Strategien des Überlebens?
Gewalt als Schlägereien, Revolten, Kriege und Terrorattacken hat es immer gegeben, sie dauert fort und findet neue Formen im Cyberspace. Der Einzelne hatte wenig mehr als den Zufall auf seiner Seite, wenn es ums Überleben ging. Die naturwüchsige Strategie von Herden, Schwärmen, Sippen, Horden, Banden verbesserte seine Chancen, alle profitierten vom Schutz, vom Fortbestand der Gemeinschaft, Verlierer blieb immer der Einzelne. Ähnlich verhält es sich mit Strategien der stammeskulturell geprägten Meute, des Mobs, der Staaten, Unternehmen und Verbände aller Art.
Mit der Entwicklung moderner Staaten und Firmen samt Heeren von Arbeitern und Angestellten wird das Phänomen struktureller Gewalt interessant: Es gibt Organisationen, die nach außen und innen rücksichtslos ihre Interessen zur Selbsterhaltung durchsetzen - gegen Leib und Leben des Einzelnen, gegen die Konkurrenz, das Gemeinwesen und gegen die Natur. Sie trachten danach, sich mit besonderen Rechten auszustatten - auf nationaler, zunehmend supranationaler Ebene, so dass weder sie selbst noch irgend eines ihrer Mitglieder für jede Art Fehlleistung in Haftung zu nehmen wären. Solche Organisationen versuchen mit legalen oder kriminellen Mitteln, die Grundlage allgemeinen Rechts zu usurpieren: das "Gewaltmonopol des Staates". Dass Konflikte eskalieren, dass sie in vollkommene Zerstörung münden, nehmen sie schlimmstenfalls in Kauf. Sie stellen die ihnen zugehörigen Menschen von Verantwortung frei und machen sie zu willfährigen Handlangern.
Der Vorgang wird an den totalitären Systemen des Kommunismus und Nationalsozialismus deutlich. Religiöse oder andere ideologische Verklärungen von Gewalt gab es seit je - hier nahmen sie im Deckmantel von Heilsversprechen an ihre Gefolgschaft die Dimension von Genoziden und Weltkriegen an. Angesichts globaler Auswirkungen, die seit dem 20. Jahrhundert sowohl mit Kriegen unmittelbar, als auch mit Angriffen auf Energie- oder Finanzwirtschaft, Informations-und Versorgungssysteme einhergehen, ist zu fragen, ob Konflikte zwischen Menschen auch künftig so unvermeidlich und unbeherrschbar bleiben wie Naturereignisse.
Lässt sich das Verhalten von Milliarden Menschen nicht auf ein friedliches, ausbalanciertes Zusammenleben hin beeinflussen, auf kooperative Strategien der Individuen und ihrer Organisationen, zum Nutzen der Gattung mit ihrer Kultur (Technik) und der sie umgebenden Natur? Derzeit erscheint das - mit dem Blick auf politische Realitäten - als Wunschtraum.
Zweierlei zumindest ist sicher:
- Konflikte sind unvermeidlich; sie erzeugen die Dynamik zwischen Gruppen von Menschen ebenso wie zwischen Individuen und dem gesamten Umfeld, mit dem wir alle interagieren: mit der Welt.
- Konflikte werden in Zukunft ALLE betreffen. Die globale Wirtschaft wird es unvermeidlich geben und damit wechselseitige Abhängigkeiten aller von (fast) allen. Das betrifft die natürlichen Ressourcen ebenso wie den Informationsaustausch.
(Fortsetzung - Abschnitt 2)