Dienstag, 31. Mai 2011

Vorwort zu “Der menschliche Kosmos” – (5)

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Die Irritation beim Wechsel zur „finalen“ Ansicht ist von derselben Art, wie sie ein Rechtshänder empfindet, der wegen einer Verletzung lernen muss, mit der linken Hand zu schreiben. Ebenso gut können wir trainieren, bei der Einschätzung unserer Wechselwirkungen mit Menschen und Umwelt für die Mustererkennung nicht die – bewährte – Methode der Konstruktion von Ursachen und Vergangenheiten zu nutzen, also den Blick in den Rückspiegel, denn nichts anderes ist die Prognose mittels Daten und Statistik aus Vergangenem. Versuchen wir etwas Neues: Schauen wir auf den Erhalt innerer und äußerer Energieflüsse, den Erhalt dynamischer Gleichgewichte in Systemen und Metasystemen. Fragen wir nach Rückkopplungen, fragen wir nach dem Einfluss unserer eigenen Erlangungs- und Vermeidungsstrategien auf unser Handeln und das Geschehen. Modellieren wir nicht nur mit den quantitativen Daten von gestern, sondern mit - unkalkulierbaren, aber qualitativ ziemlich stabilen - Handlungsmustern aller Beteiligten.Uns zwar sowohl im besten wie im schlimmsten Fall.

Dieser Wechsel der Perspektive ist nicht neu. Er findet sich z.B. in den Erzählungen von George Orwell oder Aldous Huxley und Franz Kafka. In die Wissenschaft zog er mit der Quantenphysik ein. Es ist an der Zeit, ihn nicht nur für den Bau von Lasern, Quantencomputern oder einzelne klinische Anwendungen der Psychologie zu vollziehen, sondern allgemein nutzbar zu machen. Er ist längst dabei, nicht nur das naturwissenschaftliche Denken, sondern insbesondere die Psychologie und Philosophie überhaupt umzuwälzen und zu verändern. Höchste Zeit, ihn auf den in Zukunft wichtigsten Komplex menschlicher Existenz, das Konfliktmanagement anzuwenden

Damit sind wir wieder bei der Frage der Gewalt. Das Ziel von Gewalt ist Destruktion. Sie erstrebt einen chaotischen – regellosen - Zustand, von dem aus eigene Interessen durchgesetzt, fremde Interessen ausgeschaltet oder stark abgeschwächt werden können. Sie nimmt schwere Störungen, ja sogar die Vernichtung des eigenen Systems in Kauf. Gewalt ist nur eine von vielen elementaren Strategien gegen innere oder äußere Störungen des dynamischen inneren bzw. äußeren Gleichgewichts. Auf menschliche Konflikte bezogen: ein Ziel wird erreicht oder ein Schaden vermieden durch destruktives Verhalten; das Risiko, dabei schwereren Schaden zu nehmen oder gar zu Tode zu kommen wird ignoriert. Das kann spontan geschehen oder bewusst, und es wird um so wahrscheinlicher geschehen, je öfter sich die gewaltsame Strategie mit der Erfahrung eines Erfolges verbindet – egal ob es sich um einen vermeintlichen oder wirklichen Erfolg handelt. Darüber entscheidet ausschließlich die subjektive Wahrnehmung. Im pathologischen Fall werden alle anderen möglichen Strategien ausgeschaltet bis zum Amoklauf: der „Totale Krieg“ zerstört andere und sich selbst.
zur Fortsetzung - Abschnitt 6


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